Schreyhals 27

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4. DEZÄMBER 2010, FC BASEL – BSC Young Boys

Am Anfang stand ein Inserat

Im Juni 1990 meldete sich eine junge Frau auf der Suche nach einer neuen Herausforderung beim ­damaligen Geschäftsführer Markus Siegler. Im September 2010 feierte der Klub mit ihr das ­20-jährige Jubiläum. Dazwischen liegen fünf Geschäftsstellen, viele Emotionen und ein Flug von Genf nach Basel …

Es ist ein goldender Oktobertag heute. Tief steht die Sonne über der Brüglinger Ebene und wird von der Plastikverschalung des Joggelis direkt in die Geschäftsstelle reflektiert. Die Farbpalette der Natur wird breiter, die Hegemonie des Blattgrünes beginnt zu ­bröckeln. Ideale Voraussetzungen für Erinnerungen und Gespräche, besonders wenn die Gesprächspartnerin seit mehr als zwei Dekaden dem FCB dient.
Natürlich erscheine ich leicht zu früh an unser Treffen und wie meistens sind dann sämtliche Sitzungszimmer belegt und es muss umdisponiert werden. So leicht lässt sich Barbara Bigler jedoch nicht aus dem Konzept bringen. Das kurzfristig auserwählte Zimmer für unsere Unterredung offenbart einen Blick auf die Plattform hinter der Kurve mitsamt der darauf stehenden ­Säule: «Bi allne Spiel Emotione lääbe.» Im Hintergrund ragen die Flutlichtmasten des Leichtathletikstadions einsam in die Höhe, während am Horizont das Gempenplateau noch ansatzweise zu erkennen ist.
Die neu bezogene Geschäftsstelle im dritten Obergeschoss des Joggeli-Turms kommt schnörkellos daher. Schlichte Ausstattung, grossräumige, moderne Büros, zahlreiche Arbeitsstationen und eine Auswahl an Andenken quer durch die europäische Gegnerschaft der vergangenen Jahre, dazu eine nicht zu unterschätzende Anzahl Juniorenpokale. Das sei bei weitem nicht immer so gewesen, erklärt Bigler. Ruhig und konzentriert, ihre Augen stets aufmerksam und in Bewegung, schildert sie Anekdoten, Realitäten und Emotionen der letzten zwanzig Jahre.

Werdegang

Aufgewachsen ist Barbara Bigler, die heute in Münchenstein lebt, nahe der Stadtgrenze in Allschwil beim Paradies. Kindergarten sowie Primar- und Oberstufe hatte sie dort besucht, bevor sie eine Banklehre beim damaligen Bankverein absolviert hat. Auf die Frage nach Berührungspunkten mit dem FCB in ihrer Jugend antwortet Bigler pragmatisch, die Bindung zum Verein sei erst über die Jahre entstanden.

Dies obwohl ihr erster Eindruck «unter jeder ­Kanone» gewesen sei – zumindest was die Räumlichkeiten auf der damaligen Geschäftsstelle im St. Johann betraf.

Immerhin, seit ihrer Kindheit ist Bigler sportbegeistert, sie hat sich im Handball und Basketball versucht und später, während ihrer Ausbildung, auch als Fussballerin im Damenteam des FC Concordia. Natürlich hat man auch Heimspiele des Stadtklubs besucht, wahlweise mit Freunden oder dem Vater, jedoch ohne Regelmässigkeit, dafür umso spontaner, so Bigler. Diese Affinität zum Sport im Allgemeinen und zum Fussball im Speziellen war dann wohl auch ausschlaggebend für Bigler, sich auf das Inserat des FCB, ­welcher zu diesem Zeitpunkt auf der Suche nach einer kaufmännischen Mitarbeiterin war, zu melden. Nach einigen Jahren Berufserfahrung im Bankalltag, welchen sie als «trocken» beschreibt, sowie einem Sprachaufenthalt in Hove bei Brighton, wollte sie ursprünglich für «ein bis zwei Jahre» etwas anderes machen. Man sei eben noch unbekümmert in diesem Alter. Bigler kann sich ein Lächeln nicht verkneifen in Anbetracht der rasant vergangenen Zeit.
Mit der moralischen Unterstützung der Eltern und im Wissen, dass die Situation beim Klub prekär war (keine ­Lizenz) nahm sie im September 1990 ihre Tätigkeit beim FCB auf. Dies obwohl ihr erster Eindruck «unter jeder ­Kanone» gewesen sei – zumindest was die Räumlichkeiten auf der damaligen Geschäftsstelle im St. Johann betraf. Bereits zwei Monate nach ihrem Stellenantritt teilte ihr Markus Siegler, der damalige Geschäftsführer, mit, dass er den FCB per Ende Jahr verlassen werde, sie solle sich keine Sorge machen. Bigler erzählt alles so, als wäre es gestern passiert, ohne dabei jedoch ins Schwelgen zu geraten. Der Aufgabenbereich habe sich dementsprechend erweitert, sie sei oft alleine gewesen, aber stets zuversichtlich und überzeugt, versichert Bigler. Umzüge, Änderungen, Stadionabriss, das Exil auf der Schütze, der Einzug ins neue Joggeli; in Zeitraffer kommen wir in der Gegenwart an. Jetzt sitze sie eben hier, und dies immer noch mit der gleichen Freude. Die Spannung sei erhalten geblieben, nie sei es ihr dabei langweilig geworden. Gezweifelt hat Bigler über all die Jahre selten. Höchstens Unbehagen – ­immer dann, wenn der Vorstand gewechselt hatte. Röthlisberger, Epting, Jäggi, Edelmann kamen und gingen, Bigler blieb. Und mit ihr das ruhige Element auf der Geschäftsstelle.

Familienmensch

Bigler kann aus einer intakten Familie schöpfen: Ruhe, Rückhalt. Zusammen mit ihrer drei Jahre jüngeren Schwester pflegt sie ein harmonisches Verhältnis zu den ­Eltern. Für Bigler unabdingbar. Ihren Mann hat sie am Anfang ihrer Laufbahn beim FCB kennen gelernt. Balz Bigler ist zu diesem Zeitpunkt bereits Junioren-Obmann. Was mitunter auch ein Grund dafür sein dürfte, dass er das nötige Verständnis für den sowohl zeitlich als auch emotional eher unkonventionellen Job seiner Ehefrau aufzubringen vermag. Schliesslich sei er ja auch «angefressen», und seine Unterstützung sei eminent wichtig für sie.
Wir kommen auf ihre Rolle als gute Seele des Vereins zu sprechen. Rytschkow war der Erste, dessen Integration sie massgeblich mitgestaltet hatte. Gemeinsam verlieren wir uns in Erinnerungen und fragen uns, wie es «Sascha» heute wohl geht. Zumindest seine Katze «Vodka» lebt noch ganz in der Nähe des Stadions. Ansonsten verlieren sich seine Spuren in den Weiten der Oblast Irkutsk rund um den Baikalsee. Generell können Spieler sich bei Bigler zu jeder Tages- und Nachtzeit melden, Bigler versucht dann zu helfen, wo immer möglich.

Aufstieg

Als die Basler Fussballer in der Saison 93/94 um den Aufstieg von der Nati B in die höchste Spielklasse spielen, treffen sie dabei drei Runden vor Schluss auswärts auf das Team von Etoile Carouge. Am selben Morgen, am 03. Mai 1994, klingelt auch das Telefon von Bigler an der St. Johanns-Vorstadt. Am anderen Ende der Leitung: Präsident Peter Epting mit einem lokalen Autosponsor. Das offerierte Angebot erscheint gleichermassen verlockend wie ungewöhnlich: Fahrt in die Westschweiz per ­Limousine und – bei einem Aufstieg des FCB – anschliessender Rückflug mit der Crossair nach Basel.
Die Dinge nehmen ihren Lauf, Dario Zuffi nimmt Mass und erzielt per Freistoss den Ausgleich. Der FCB ist nach sechs Jahren definitiv wieder in der NLA und Bigler gerät heute noch ins Schwärmen, wenn sie vom Flug über den Barfüsserplatz erzählt. Und so steht diese Anekdote stellvertretend für eine bewegte, nervenaufreibende und wunderschöne Zeit von Barbara Bigler in Rotblau, welche hoffentlich noch lange dauern wird …