Schreyhals 22
16. DEZÄMBER 2009, FC BASEL – Fulham FC
Neue Identität – ein sportlicher Rückblick
Von Startschwierigkeiten bis hin zu tollen Kombinationen; das Team präsentiert unter neuem Trainer erfrischend offensiven Fussball.
Ein spielöffnender Pass von Cagdas. Der Ball fliegt auf da Silva zu, gekonnte Annahme, Steilpass in Richtung rechter Eckfahne. Kurzer Sprint von Inkoom, er kommt an den Ball. Die messerscharf getretene Flanke erreicht ihr Ziel. Dabei lässt Frei clever sein Gegenspieler ins Leere laufen und schickt den Ball, mit einem perfekt getimten Kopfball, in den oberen Torwinkel. Der Abschluss einer Ballstafette über das gesamte Spielfeld, bei der die neuen Spieler Protagonisten sind. So stellt sich ein jeder Basler den Fussball des eigenen Teams auf dem Rasen vor. Technische Qualitäten gemixt mit Wille, Kampf und Emotionen. Fähigkeiten, welche in dieser halben Saison wiederentdeckt worden sind, nachdem doch unter Christian Gross eher «kompakter», körperbetonter Fussball mit weiten Bällen gespielt wurde.
Neue Protagonisten
Auch in der letzten Saison wurden die Spiele weitgehend erfolgreich gestaltet. Doch gab sich nicht jeder mit einem glücklichen 1:0 oder 2:1 zufrieden. Die Schönrederei nach einer Niederlage dürfte dazu geführt haben, dass der Druck auf die Mannschaft, vor allem aber auf den Trainer, extrem anstieg. Die verlorene Meisterschaft 08/09, das müde Geplänkel auf dem Feld und der enorme Erfolgsdruck der Fans zwangen den Vorstand zum Handeln. Und es wurde gehandelt. So einschneidend, dass man nach 10 Jahren von einer neuen Ära sprechen muss. Der Trainer wurde samt Assistenztrainer ausgewechselt. Für Gross kam Fink, Vogel bekam die Assistenzrolle. Neue, unbekannte Gesichter übernahmen die sportliche Führung des FCB. Das Trainingslager in Celerina diente Fink zur Kaderselektion.
Gjasula, Hodel, Eduardo, Rubio und auch Ivan Ergic mussten eine neue Arbeitsstelle suchen. Tätig wurde man nebenbei auch auf dem Transfermarkt. Verpflichtet wurden Cagdas, Inkoom, Da Silva und Alex Frei. Dazu schafften junge Spieler wie Shaqiri, Aratore oder Ritter den Sprung ins Fanionteam.
Schwierige Startphase
Nach einigen Freundschaftsspielen sowie dem Uhrencup konnte man sich zusehends auf das Eröffnungsspiel in St. Gallen fokussieren. Zu diesem Zeitpunkt war indes der Transfer von Frei zum FCB reine Träumerei. Der holprige Start mit der Niederlage gegen den Aufsteiger St. Gallen sowie den folgenden zwei Last-Minute-Siegen gegen Aarau (2:1; Steller 93.) und Sion (1:2; Frei 90.) zeigten das grosse Potenzial des Teams auf. Mit dem Sensationstransfer von Alex Frei und der sportlichen Wiedergeburt von Pipi Streller (Im 2-Mann-Sturm) zahlte sich die offensive Ausrichtung von Fink früh aus. Im Gegensatz zur Offensive bekundete der FCB gröbere Probleme mit der defensiven Abstimmung. Es folgten 5 (!) sieglose Spiele in der Meisterschaft. Ich, als junger Fan, kann mich an eine solche Serie nicht erinnern. Diese Spiele gestaltete der FCB mindestens ausgeglichen, wenn nicht überlegen. Viele Punkte gingen in dieser Phase unnötig verloren, was sicher auch auf das damals noch nicht vorhandene gegenseitige Spielverständnis zurückzuführen ist.
Wendepunkt Bellinzona
Nach der bitteren Heimniederlage gegen YB betrug der Abstand unfassbare 13 Punkte auf den Leader. Eine Reaktion des Teams war gefordert. Der FCB reiste ins Tessin zur AC Bellinzona und zeigte in der 1. Halbzeit eine spielerisch hervorragende Leistung. Der Einbruch in der 2. Halbzeit offenbarte die Anfälligkeit der Abwehr sowie die fehlende Konstanz über 90 Minuten. Beni Huggel’s Penaltytor in der 90., gepaart mit der 1. Saisonniederlage der Young Boys gab dem FCB Schwung und Hoffnung. Das Team startete eine fulminante Serie, gespickt mit überzeugendem, kreativem Offensivfussball und spektakulären Toren.
Glanzpunkt Emmenbrücke
Der emotionale und kämpferische Höhepunkt der Vorrunde war ganz klar das Gastspiel beim FC Luzern auf einem holprigen Acker in Emmenbrücke. An einem Sonntagnachmittag, Ende Oktober, bei düsterer Beleuchtung erstrahlten die Auswärtstrikots in neuem Glanz. Wie die Mannschaft trotz vier Gegentoren sich immer wieder aufraffte und nie aufgab, war beeindruckend. Das man das Spiel mit zwei Toren in der Nachspielzeit noch kehren konnte, war schlicht fantastisch. Streller jubelt auf dem Rücken von Stocker, das Ganze vor dem Auswärtsblock. An diese Bilder mag sich jeder gerne erinnern, der diese grausam spannenden Minuten miterleben durfte. Ab diesem Moment, da wusste man, dass es stimmt beim FC Basel. Auch wenn im folgenden Spiel beim FC Zürich nur ein Punkt ins Trockene gebracht wurde (2:2), oder der Kunstrasen inklusive Unparteiischer in Bern wieder mal im Weg standen (2:0) – Die Einstellung stimmt. Das Selbstvertrauen ist vorhanden. Spiele, in denen man nicht überlegen ist und das Spieldiktat nicht in der eigenen Hand hält, werden dennoch dank beispielhafter Effizienz für sich entschieden. Den Abschluss einer ereignisreichen und durchaus vielversprechenden Vorrunde bildete das Heimspiel vor zehn Tagen gegen Bellinzona. Während dieses Spiels durchlebte der Zuschauer einmal mehr Höhen und Tiefen, bei welchen die verschiedenen Facetten der FCB-Ausgabe 09/10 gut zum Vorschein kamen. So z. B. starteten die Basler hellwach und liessen den Ball gekonnt laufen, was folglich zum verdienten 1:0 führte. Ein Treffer, der wie schon so viele in der Vorrunde, durch individuelle Klasse erzielt wurde. Die anschliessende Passivität der Hintermannschaft erinnerte an die fehlerhafte Phase im August. Sie wurde mit zwei Gegentoren bestraft. Die Mannschaft kam mit unermüdlichem Drang aus der Kabine und zeigte das ganze Können. Ein defensives Bollwerk, dazu gefährliche Standards und noch einmal exklusive Qualität in der Person von Alex Frei brachten die Wende zum Sieg. Ein erfolgreicher Ausgang zur Winterpause.
Aktuelle Situation
Das Team wird ins Traininglager nach Spanien reisen, um sich so auf die Rückrunde hin vorzubereiten. Sicher mitfahren werden neben der jetzigen Mannschaft auch zwei Junioren-Weltmeister, Xhaka und Kamber, welche beide ein Versprechen für die Zukunft sind. Wer von den «Grossen» gehen muss oder ausgeliehen wird, kann man als Aussenstehender noch nicht genau beurteilen. Wer aber wie spielte, sich gut oder schlecht entwickelte – dies lässt sich festhalten:
Torhüter
Der FCB hat momentan sage und schreibe 6 (!) Goalies unter Vertrag. Costanzo ist derzeit verletzt. Eigentlich ist ein solches Kaliber kaum zu ersetzen. Der FCB belehrt uns eines Besseren und bietet uns mit dem Duo Colomba und Wessels zwei mehr als nur Nationalliga A taugliche Torhüter. Colomba wurde zur neuen Saison hin vom Hüpferverein verpflichtet. Im Gegenzug gab man Yann Sommer, der zukünftige Nationaltorhüter, ab, um dort Spielpraxis zu erhalten. Dieser Wechsel zahlte sich aus. Massimo „La Gatta“ Colomba springt mitten in der Saison für Costanzo ein und überzeugt sofort mit wichtigen Paraden und spielt dazu oft zu Null. Hinter ihm nahm zuerst ein weiteres junges Talent, Oli Klaus, auf der Bank Platz, bis der FCB sich zu einem weiteren Transfer entschieden hat. Der Deutsche Wessels, der vereinslos war, unterschrieb bis Ende Saison. Das Verletzungspech hielt an. So brachte Massimo ein eingeklemmter Nerv aus der Bahn. Bühne frei für Wessels, welcher das Team in Bern und Rom mit zwei ausgezeichneten Leistungen vor einer höheren Niederlage bewahrte. Blamable Tore beim Einstand kann jeder kriegen (siehe auch Startspiel von Costanzo). Torhüter Nr. 6 ist Leutwyler, welcher momentan in Yverdon spielt.
Mit drei Top-Torhütern ist der FCB momentan hervorragend ausgestattet. Also besteht in der Winterpause kein Bedarf zum Handeln. Der Platz im Tor zur Rückrunde werden Wessels und Colomba unter sich ausmachen. Der Fan kann diesem Geschehen ruhig zusehen, denn beide Torhüter sind absolut vertretbar. Sobald jedoch Costanzo wieder auf das Feld zurückkehrt und fit ist, erübrigt sich diese Diskussion.
Verteidigung
Es war die Szene in der Vorrunde, welche bei manchen ein Kopfschütteln auslöste. Andere interpretierten diese als Ausdruck von explodierenden Emotionen. Unser Captain Costanzo packte den Verteidiger Ferati am Trikot und riss ihm an den Haaren. Diese Sache ist längst abgehakt, doch im Zusammenhang mit der Leistung der Verteidiger sicher zu erwähnen. Denn einen kleinen Grund hatte Costanzo zu diesem Zeitpunkt schon, seine Vorderleute aus dem Schlaf zu reissen. Es war die Zeit, in der die Gegentore oftmals auf dumme Art und Weise fielen. Zuerst stimmte das gegenseitige Absprechen nicht, dann war es die mangelnde Konzentration oder später das falsche Stellungsspiel. Es ist aber auch schwierig für die Verteidiger, mit ständig wechselnden Aufstellungen zu spielen. Es traf praktisch jeden der Verteidiger mit Verletzungen oder Sperren. Waren es Cagdas’ Rippen, Safaris Waden oder Abrahams Knöchel. Marque fiel komplett aus. Aber je älter dabei die Hinrunde wurde, je sicherer und abgeklärter präsentierte sich auch die Verteidigung.
Schuld daran ist sicher auch die Innenverteidigung, welche mit einer guten Mischung aus Erfahrung, Defensivqualitäten, Schnelligkeit und Erfolgshunger durch Abraham, Cagdas und Cabral hervorragend repräsentiert wird. Vor allem die Entwicklung von Cabral darf uns Freude bereiten. Das für ihn neue Vertrauen von Fink verlieh dem jungen Kapverder grosse Sicherheit. Er zahlt dieses mit ungemein starkem und cleverem Abwehrspiel zurück.
Letzte Saison noch ein wenig wackelig, zeigte sich Abraham nun in der Hinrunde von seiner Schoggi-Seite. Für Fink ist er einer der besten Verteidiger, den er je gesehen hat. Er ist ein sicherer Wert und momentan nicht aus dem Team weg zu denken; ebenso der Neueinkauf aus der Türkei, Atan, welcher zuerst den Schweizer Fussball kennenlernen musste. So missrieten ihm einige Spiele, bis auch er wie seine Kollegen ins Spiel fand und das Finksche System beherrschte. Beg Ferati sowie Dominik Ritter füllen den Platz auf der Ersatzbank aus. Auf der Aussenbahn sieht die Lage genauso erfreulich aus. Mit Safari und Inkoom sind diese Positionen sehr gut besetzt. Beide erzeugen auf ihrem Flügel enormen Druck und geben öfters den Assist per Flanke zum Tor. Beide sind sowohl schnell auf den Beinen wie auch technisch versiert. Auch hier hat man mit Sahin und Shaqiri zwei gute, junge Alternativen, wobei man Xherdan lieber im Mittelfeld spielen lassen sollte.
Den Spieler Cabral muss man unbedingt weiter an sich binden, in Form einer Vertragsverlängerung. Dieser Junge hat eine grosse Zukunft.
Mittelfeld
Im Zentrum steht Beni Huggel. Als Dreh- und Angelpunkt des Mittelfelds kann er immer noch überzeugen. Sowohl defensiv wie auch offensiv. Die übrigen Aufbauer kämpften alle mit teils enormen Leistungsschwankungen. So konnte Valentin Stocker erst spät in der Vorrunde überzeugen. Das Gleiche gilt auch für Carlitos, der erst nach der Drohung von Fink aufs Gaspedal drückte. Scott ist leider oft verletzt und in dieser Saison nicht derart durchschlagskräftig wie noch im Frühling. Von den Jungen konnte sich nur Shaqiri richtig durchsetzen und wurde zu Recht mit einer Vertragsverlängerung belohnt. Er ist eine Attraktion für das Publikum und steigert sich laufend. Aratore und Unal konnten noch keine Akzente setzen. Gelabert ist ein grosser Kämpfer, fussballerisch hingegen mit deutlichen Limiten. Cabral ist auf seiner Position besser. Einen unglücklichen Saisonverlauf hatte die neue Nummer 10, Antonio da Silva. Ohne Training stieg er im Juli in die Meisterschaft ein. Dies wurde auf dem Platz sichtbar. Er steigerte sich zusehends spielerisch wie auch konditionell, bis ihn eine Verletzung ausser Gefecht setzte.
Da die Rückrunde wegen der WM nur etwas mehr als 3 Monate dauert, Chipperfield und da Silva wohl bis im März ausfallen und Carlitos vor dem Absprung steht (Vertrag läuft aus), muss man sich fürs rechte und offensive Mittelfeld auf dem Markt umsehen.
Sturm
Seit dem Duo Gimenez-Rossi hatten wie nie mehr solch attraktive und zugleich effektive Sturmspitzen. Mit Streller und Frei kann Fink seine offensive Grundausrichtung des Teams voll durchziehen. Streller überzeugt mit Technik, Tempo und wiedergefundenem Torriecher. Dies ergänzt Frei mit unbändigem und nie nachlassendem Kampfgeist und überragender Qualität bei Standards. Alex Frei können während 85 Minuten viele Dinge missraten, am Ende schiesst er doch die Tore, meistens die entscheidenden. Es ist eine grosse Freude, diesem Sturm zuzusehen. Die Übrigen haben deshalb einen schweren Stand, so z. B. Almerares. Ausser seinem Tor gegen Rom gelang ihm in der Meisterschaft relativ wenig. Er ist kein Gewinn für die Mannschaft. Schade, wurde Mustafi schon früh nach Aarau ausgeliehen. Ich hätte ihm mehr zugetraut. Eine Bereicherung könnte Jacques Zoua sein, der bei seinen ersten Auftritten sein Potenzial andeutete.
Kein Handlungsbedarf, solange wir von Verletzungen verschont bleiben.
Pokalwettbewerbe
Im Schweizercup ist der FCB auf Kurs, mit dem Highlight in Form eines 4:2 Sieges gegen die Stadtzürcher. Darauf folgte ein 3:1 Pflichtsieg gegen den FC Biel am vergangenen Samstag. Wie unter Gross ist der FCB auch mit Fink in Europa erfolgreich. Im achten Jahr hintereinander ist der FCB in einem europäischen Wettbewerb im Spätherbst noch dabei. Dies können keine 20 Teams in Europa von sich behaupten. Neben dem überragendem 2:0 über Rom und den beiden souveränen Siegen gegen Sofia kommt es heute zum «Finale» gegen das Team aus London (Fulham FC). Hoffentlich sehen wir im Februar den FCB noch auf europäischer Bühne.